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Sentimentale Erwachsene sind furchtbar! Zu Recht kommt jedem jungen Menschen die Milchschnitte hoch, wenn Eltern versonnen darüber philosophieren, wie viel schöner früher das Kinderprogramm war! Aber wer hat nicht schon einmal davon geträumt, dem nervtötenden Benjamin Blümchen den blöden Rüssel zu verknoten und ihn unter seinen dämlichen Hörspielen auf dem nächsten Elefantenfriedhof zu verbuddeln?
Doch eine Sendung vermag es, beide Altersgruppen in ihrer Begeisterung zu vereinen: "Die Augsburger Puppenkiste"! Für manche nichts als eine schmucklose Ikea-Kiste mit Holzköpfen drin, für andere aber das kleinste Universum der Galaxis! Eine Kiste voller Fantasie, ein unendlich großes Reich der wundersamsten Geschichten und skurrilsten Gestalten. Und dabei seit einem halben Jahrhundert so gekonnt altmodisch und liebevoll anarchisch, dass sie niemals unmodern wirkt. Don Blech, Professor Habakuk Tibatong, die Schweine-Diva Madame Wutz oder der kleine König Kalle Wirsch sind Figuren, die weit mehr zu bieten haben als eindimensional glatt gebügelte Reißbrett-Knallchargen wie Bibi Blocksberg: Sie sind schräg, haben Charakter und nerven nicht!
Wie ihre Gesichter und Bewegungen haben auch sie selbst Ecken und Kanten, vor allem aber besitzen sie den Schuss Intelligenz und ironischen Irrsinn, der sie für jede Altersgruppe interessant macht. Großartige Texte wie "Eine Insel mit zwei Bergen und 'nem Fotoatelier, in dem letz'ren macht man Bilder, auf den erst'ren Dulijöh!" riechen verdächtig nach einer Mischung aus bewusstseinserweiternden Rauschmitteln und verschrobener Genialität und sollten eigentlich längst zum Pflichtprogramm im Deutschunterricht gehören. Die tapfere Blechbüchsenarmee, die zum Kommando "Roll, roll, roll!" die feindlichen Hügel herunter schepperte, brachte den Puppenkistlern Mitte der Sechziger sogar eine Beschwerde der Regierung wegen Verunglimpfung des Militärs ein - was könnte einen Künstler mehr adeln?
In den letzten 50 Jahren konnten wir miterleben, wie das lispelnde Urmel aus der Mupfel slüpfte, der Löwe los war und der geschwätzige Kater Mikesch kreuz und quer durch Böhmen spazierte wie ein bepelzter Karel Gott mit Hummeln im Hintern, nur um Oma einen neuen Rahmtopf zu besorgen. Wir sahen Bill Bo auf der Flucht vor dem Gesetz, Jim Knopf und die Lokomotive Emma im Kampf gegen den Fahrplan der Deutschen Bundesbahn, und wir hörten fröhlich angeheiterte Blasmusiker im erfolgreiche Kampf gegen allzu perfekte Noten.
Für all das können wir uns nur bedanken! Hoffen wir darum, dass die Türen der Puppenkiste sich trotz aller Querelen mit dem Hessischen Rundfunk und aller finanziellen Engpässe immer wieder öffnen werden, und dass die hochgepusteten Plastikwellen des Augsburger Ozeans niemals versiegen. So lasst uns ganz herzlich zum 50. gratulieren und eine Ehrenrunde durchs Lummerland drehen. Weiter so! Öff-öff!
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