Kalkofes letzte Worte
Was vom Wahnsinn übrig blieb

Es ist vorbei. Fast schon vergessen. So scheint es jedenfalls. Die Welt ist am Ende, der Humor getötet. Mehr als drei Wochen ist es nun bereits her, aber noch immer habe ich den bitteren Geschmack von Konfetti und Luftschlangen im Mund. Rieche den fauligen Mief von schalem Scherz und abgestandenem Witz. Karneval wird nie wirklich vorüber sein, auch nicht am Aschermittwoch. Er schläft nur. Es ist ein Virus, das nie besiegt werde kann, eine fieberhafte Verblödung, ein periodisch wiederkehrender Wahnsinn.

Während die letzten Überlebenden der Stimmungskatastrophe noch aufatmen und die verbleibenden Gehirnzellen ordnen, wird andernorts bereits neues Grauen geplant, neue Idiotie geboren. Und schon am 11.11. werden die Armeen des Frohsinndiktats erneut aufmarschieren, im Gleichschritt durch die Straßen ziehen und jeden, der es wagt, gegen den Strom zu schunkeln, mit dreifach donnerndem Helau niederstrecken. Das erbarmungslose Heiterkeitsregiment der Elf Monkeys - oder auch "Elferrat", wie sie sich selber nennen - wird wieder alle Mitinfizierten der Faschingskrankheit dazu aufrufen, sich in bizarr anmutenden Gruppentherapien namens Prunksitzung zu treffen und diese möglichst auch noch im Fernsehen übertragen zu lassen. Dort wird es wie immer gelingen, durch sterile Ausgelassenheit streng nach den Statuten der großdeutschen Witzordnung das Aufkeimen jeglichen spontanen Frohsinns im Keim zu ersticken. Gelacht werden darf nur, wenn etwas nachweisbar nicht lustig war, und auch nur nach Ertönen des akustischen Befehlssignals.

Aber wir alle haben selber schuld. Keiner von uns hat die Krankheit ernstgenommen. Nicht einmal die häßlichen Straßenumzüge, in denen die Betroffenen zu Verständnis und Mitgefühl aufriefen und Solidaritätskamelle in das Publikum warfen, ließen uns verstehen. Als die Infektion zum ersten Mal bei englischen Rindern, außerirdischen Beamten und Kölner Sparkassenangestellten auftrat, lachten wir nur über die Symptome: akneartiger Pappnasenwuchs, maßloser Alkoholkonsum in der Hoffnung, die Überträger abtöten zu können, sowie unkontrollierbarer Drang zu Polonäsenbildung mit anderen Patienten. Wir hätten reagieren müssen! Vielleicht hätte man die Ausbreitung des Virus verhindern können, wenn man rechtzeitig Köln und das Rheinland gesprengt hätte... Tusch. Narrhallamarsch.

    Kalkofes letzte Worte  

nach oben

  
drucken   |   gästebuch   |   kontakt   |   impressum