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Vor den Verstand wurde dem Menschen das Auge gesetzt, meistens sogar zwei, als eine Art optischer Filter für das Gehirn. Sie helfen ihm bei der visuellen Vorselektion der gewonnenen Eindrücke – und das spart enorm Zeit. Allein bei der Wahl des Begattungspartners auf der handelsüblichen "Fisch sucht Fickfrosch"-Kennenlern-Fete: Sagt das Auge "Ach du Scheiße, bloß nicht!", bekommt das Ohr erst gar keine Chance, und das Herz kann sich ohnehin gehackt legen.
Diese anatomische Schelmerei macht sich neben attraktiven Frauen vor allem der Berufsstand der Designer zu- nutze, indem er uns durch schönen Schein vom logischen Denken ablenkt und uns weismacht, alles sei chic, wo irgendein tuckiger Zopfhansel groß seinen Namen draufgekrickelt hat. Mag ja sein, daß ein Chanel-Hornhauthobel auf der Peeling-Party mehr hermacht als der grobe Maukenraspel von Aldi – aber schmirgelt er deshalb auch wirklich besser die Schorfschicht von den Quanten?
Doch wen kümmert’s? Daß in der modernen Welt die Form über den Inhalt siegt, wissen wir nicht erst seit Verona Feldbusch. Design ist der Sieg des Schönen über die Nützlichkeit – es erfreut in erster Linie die Sinne, und in seinen gelungensten Momenten verspottet es gar unsere Intelligenz. Dabei ist der Begriff an sich zuerst einmal wertfrei und umschreibt lediglich die äußere Erscheinung eines beliebigen Objekts, egal ob wunderschön oder so kackenhäßlich, daß es brummt! Auch der Designer an sich ist laut Duden nichts weiter als ein "Formgestalter für Gebrauchsgegenstände" – quasi das gleiche wie der Arsch vom Huhn für das Ei. Und nicht immer gelingt ihm im Alltag der Triumph der Anmut über das Praktische: Wünschte ich zum Beispiel, meinen Gästen etwas übriggebliebenen Pichelsteiner Eintopf mit nach Hause zu geben, oder verspürte ich auf einer Vernissage den unerwarteten Drang, mich heftig zu übergeben – auch ich würde aller Optik zum Trotz eher zur Tupperschale greifen als zur Alessi-Schüssel.
Am meisten aber freut es den konsumfreudigen Verbraucher, wenn Form und Funktion sich freundschaftlich die Hand reichen. Der Armani-Zahnstocher, das Versace-Toilettenpapier, die Boss-Butterdose oder ein Joop-Tampon – das muß man nicht haben, aber das Leben macht damit einfach ein bißchen mehr Spaß! Und es steigert das Selbstwertgefühl, denn wenn sich die Fremdsprachensekretärin zum Mittagessen ihre Unox-Dose mit dem Dosenöffner von Calvin Klein aufmacht, zeigt sie ihren Kolleginnen damit nämlich, daß sie es eigentlich gar nicht nötig hätte, diese billige Fertigsuppe zu fressen – wenn sie nicht blöderweise das halbe Gehalt für den teuren Dosenöffner ausgegeben hätte! Die Schönheit liegt nun einmal häufig im Absurden.
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