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George Orwell hat Glück. Er ist tot. Und das schon lang. Lang genug, daß er bereits in Frieden zu Staub und Krümelkram in der Erdkruste zerfallen sein mag. Wäre er dies noch nicht, würde er nämlich derzeit im Grab rotieren, daß der Humus qualmt! Denn damals, als er sich hinsetzte, um der Welt den Roman "1984", seine futuristische Version über die drohende Gefahr allmächtiger Überwachung und den Verlust der Individualität als Warnung, zu hinterlassen, hatte er wahrscheinlich nicht mit der puren Blödheit der Menschen gerechnet.
Niemals hätte er sich albräumen lassen, daß diese einmal zu dämlich sein würden, sich sogar freiwillig als Glotzobjekt unter Dauerbetrachtung stellen zu lassen. Und das auch noch von Holländern! Aber damals, zu des alten Orwells Zeiten, da konnte man sich nun einmal noch nicht vorstellen, daß es eines Tages ein Medium geben würde, für das die Bürger sich fast jederzeit und allerorts in Scharen aller Reste humanoider Intelligenz entledigen und zu exponiergeilen Laborratten degradieren lassen würden.
So begibt sich denn nun ohne äußeren Zwang, und ohne rechtskräftig verurteilt worden zu sein, eine Horde Testpersonen auf Geheiß der kulturellen Tittenstation RTL II in das verwanzte Haus, der Käsequäler von Endemol. Hundert Tage lang eingesperrt in das private TV-Zuchthaus und nonstop kameraüberwacht an absolut jedem Ort, durchleiden die Teilnehmer die Schuld ihres Karmas als Strafe für ungesühnte Verbrechen aus früheren Leben: Big Brother! Und der ist wieder einmal watching - denn auch wahrscheinlich höchst gelangweilt -, und zwar jeden und alles und das rund um die Uhr. Doch diesmal hat er auch seine Fat Sister, das abgestumpfte Peep-Show-Publikum mit Kabelanschluß, mitgebracht, das am Ende zudem entscheiden muß, welches der dumpfnasigen Versuchssackgesichter bescheuert genug war, den Siegertitel zu erringen. Mann, wird das spannend, endlich mal wildfremde Leute beim Kacken zu beobachten! Wow, wenn das keine Quote bringt, dann weiß ich auch nicht. Gestalten, die man weder kennt noch jemals kennen lernen wollte, leben im Fernsehen live die Langeweile nach, über die man selbst immer froh war, daß sie nicht wiederholt wurde. Fragt man sich, ob wir mit der düsteren Orwell-Variante nicht letztendlich besser bedient gewesen wären - da waren die Menschen wenigsten noch bemitleidenswerte Opfer und keine Torfnasen, die auf eigenen Wunsch ihre letzten Rest Freiheit und Würde in den Tele-Gulli spülen. Wer weiß, vielleicht ertränken sich auch nur deshalb die Lemminge seit Generationen freiwillig, weil sie glauben, unter Wasser steht eine Kamera. Möglich ist alles.
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