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Die Anschläge in London und der Absturz in Berlin fachen die Diskussion über angemessene Gegenwehr an
von Thomas Kröter und Vera Gaserow (Berlin), veröffentlicht in Frankfurter Rundschau, 26.07.05
Bisher wallen im Berliner Regierungsviertel allenfalls die Nebel politischer Metaphorik. Noch ist kein Politiker auf die Idee gekommen, Gerhard Schröder, Angela Merkel und Co. wie das niedersächsische Atomkraftwerk Grohnde zu behandeln. Dort wird demnächst mit der Installation einer Vernebelungsanlage begonnen. Falls ein in unfreundlicher Absicht sich näherndes Flugobjekt identifiziert wird, soll sie die Sicht des Aggressors behindern.
Dass die deutschen Atommeiler einem mutwillig herbeigeführten Absturz einer großen Passagiermaschine nicht standhalten könnten, hat die Gesellschaft für Reaktorsicherheit im Auftrag von Jürgen Trittins Umweltministerium herausgefunden. Wie viel der Waschbeton des Kanzleramtes oder das Sicherheitsglas der Reichstagskuppel aushielten, ist bislang (jedenfalls öffentlich zugänglich) nicht getestet. Kein Wunder also, dass der Absturz eines mutmaßlichen Selbstmörders mit seinem Kleinflugzeug auf dem Rasen zwischen den beiden Verfassungsorganen die sicherheitspolitische Debatte befeuert hat - zusätzlich zu den Anschlägen in London und dem ägyptischen Urlaubsort Scharm el Scheich (und dem beginnenden Bundestagswahlkampf).
Wie meist in derlei Fällen irrlichtern die Argumente zwischen ernsthafter (Vor-)Sorge und den Versuchen, die Bevölkerung wahlweise nicht zu beunruhigen oder sie andererseits für die eigenen politischen Konzepte einzunehmen. Richtig ist wohl: Das Eindringen eines Kleinflugzeuges in sensible Gebiete zu verhindern, ist kaum weniger schwierig als der Schutz vor einem zu allem entschlossenen Selbstmordattentäter in einem Stadtbus. Das musste 1987 selbst die höchst sicherheitsbewusste Sowjetunion erfahren, als der 19-jährige Matthias Rust (in friedlicher Absicht) mit einer Cessna 172b vor dem Moskauer Kreml landete.
Spätestens seit dem 11. September 2001 ist die Unschuld solcher Streiche dahin. Dennoch hat es noch bis Januar dieses Jahres gedauert, ehe |
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in Deutschland das neue Luftsicherheitsgesetz in Kraft trat. In Artikel 14 regelt es, wie der Verteidigungsminister der Bundeswehr befehlen kann, ein ziviles Flugzeug, das für einen Anschlag missbraucht werden soll, abzudrängen, zur Landung zu zwingen oder im höchsten Notfall abzuschießen. Wenn CDU-Chefin Angela Merkel am Wochenende forderte, "darüber nachzudenken, ob die Bundeswehr nicht auch neue Aufgaben übernehmen kann" - diese Aufgabe hat sie schon.
Fragt sich nur, ob die Regelung ihr praktisch hilft. Denn die je zwei Abfangjäger, die als "Alarmrotten" in Wittmund und Neuburg zu jeder Tages- und Nachtzeit binnen zehn Minuten aufsteigen können, nützen nichts gegen ein Klein- oder Kleinstflugzeug. Erstens fliegen sie zu schnell für die "Minis", zweitens ist es höchst unwahrscheinlich, dass das zuständige Lage- und Führungszentrum im niederrheinischen Kalkar von ihrem Anflug erfährt. Je kleiner ein Flugkörper um so geringer ist die Chance, dass er vom Radar erfasst wird. Auch die modernen Awacs-Flugzeuge, die im Dienst der Nato stehen, haben ihre Grenzen.
Es ist daher keineswegs bloß wahlkampfpolitische Stammtischstrategie, wenn der sozialdemokratische Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz und der bayerische Innenminister Günter Beckstein (CSU) den Einsatz von Kampfhubschraubern fordern. Der kann sich sogar den Einsatz von Luftabwehrraketen vorstellen.Anderen Polikern ist diese Debatte ein Graus. Er wolle keinen "Luftkampf über Berlin", raunzte Berlins Innensenator Erhard Körting (SPD). Sein Parteifreund Verkehrsminister Manfred Stolpe ließ mitteilen, er halte Szenarien vom "Abschuss über der Friedrichstraße für nicht besonders plausibel". Stolpe und mit ihm auch Körting setzen auf ein in anderen Ländern erprobtes Mittel: Flugverbot über ausgewählten Zonen. Das gilt über Washington, Manhattan, Rom und Paris in unterschiedlichen Formen - mal für private, mal für alle Maschinen.
Wie groß die Flugverbotszone in Berlin sein soll, wird nun ausgehandelt. Zudem geht es um die bessere Kontrolle des Privatflugverkehrs schon vor dem Start. Flugverbotszonen über WM-Stadien sind geplant. Aber was passiert, wenn doch etwas passiert und eines es bis an die Grenze der Zone schafft? Vielleicht stehen sie doch noch zur Debatte - die Nebel von Grohnde. |