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Revolutionärer US-Solarplan |
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So wird Öl überflüssig
von Ken Zweibel, James Mason u. Vasilis Fthenakis, Spektrum der Wissenschaft, Der Spiegel, 03/2008
Sogar die USA können unabhängig vom Öl werden: Wissenschaftler skizzieren erstmals in einem detaillierten Konzept, wie das Land bis 2050 mit Solarstrom versorgt werden kann - der Bau von Mega-Sonnenkraftwerken sei keineswegs unrealistisch.
Benzin und Heizöl werden immer teurer, im Nahen Osten sind die USA auch wegen des Öls in Kriege verwickelt, und die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen wird noch wachsen - etwa in China und Indien. Dann drohen auch künftig Auseinandersetzungen um den Zugang zu Energieressourcen. Derweil emittieren Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke sowie Kraftfahrzeuge in aller Welt Millionen Tonnen Treibhausgase jährlich - und gefährden dadurch das globale Klima.
Längst haben Wissenschaftler, Ingenieure, Ökonomen und Politiker Vorschläge gemacht, wie sich der Verbrauch an fossilen Brennstoffen schrittweise reduzieren ließe. Das reicht aber nicht. Insbesondere die USA benötigen ein umfassendes Konzept, um ihrer Abhängigkeit von fossilen Energien zu entkommen. Unsere Analysen zeigen, dass ein breit angelegter Umstieg auf Solarenergie die logische Antwort auf diese Herausforderung ist.
Durch Sonnenstrahlen gelangt binnen 40 Minuten so viel Energie auf unseren Planeten, wie wir weltweit während eines Jahres verbrauchen. Die USA haben das Glück, allein in ihrem Südwesten mindestens 650.000 Quadratkilometer geeigneter Fläche für die Aufstellung von Solarkraftwerken zu besitzen. Dieses Gebiet erhält jährlich etwa 5000 Exajoule Sonnenenergie (1 EJ = 1018 Joule), das entspricht rund 1,3 Millionen Terawattstunden. Das ist eine gewaltige Menge an Energie - alle Kernkraftwerke der Welt mit ihren derzeit über 400 Gigawatt Leistung müssten fast 500 Jahre lang Strom erzeugen, um diese Menge zu liefern. Gelänge es, nur 2,5 Prozent davon in elektrische Energie umzuwandeln, ließe sich der gesamte Energiebedarf der USA (Stand: Jahr 2006) mühelos decken.
Dafür müssten große Landflächen mit Solarmodulen und thermischen Parabolrinnenanlagen überdeckt und eine Haupttrasse für den Transport von Gleichstrom errichtet werden. Die nötige Technologie gibt es, und sie ist anwendungsreif.
Hier stellen wir unseren "Solar Grand Plan" vor. Ein Konzept, mit dem sich im Jahr 2050 rund 70 Prozent des Strombedarfs und 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs einschließlich Transport- und Verkehrswesen der USA aus Solarenergie erzeugen ließe. Diese Energie könnte zu nicht subventionierten Tarifen angeboten werden, die etwa denen entsprechen, die wir heute für Energie aus konventionellen Quellen bezahlen – rund 5 US-Cent pro Kilowattstunde (kWh). Nutzen wir auch Wind, Biomasse und geothermale Energiequellen, könnten erneuerbare Energien im Jahr 2100 sogar 100 Prozent des US-amerikanischen Strombedarfs und 90 Prozent des Gesamtenergiebedarfs abdecken.
Um das Konzept bis 2050 zu realisieren, müsste die Regierung in den kommenden 40 Jahren 420 Milliarden US-Dollar (rund 280 Milliarden Euro) investieren. Diese hohen Kosten werden sich auszahlen: Solarkraftwerke benötigen wenig oder keinen Kraftstoff, sodass Jahr für Jahr Milliarden eingespart werden. Die neue Infrastruktur könnte 300 große Kohle- und 300 noch größere Gaskraftwerke ersetzen. Der von diesen Kraftwerken verbrauchte Brennstoff würde eingespart, der Bedarf an Ölimporten auf null zurückgefahren. Gleichzeitig ließe sich das US-Handelsdefizit drastisch reduzieren, und die politischen Spannungen im Nahen Osten und anderswo würden gemildert.
Da die Gewinnung von Solarenergie fast ohne Schadstoffemissionen auskommt, würde der Ausstoß an Treibhausgasen der Kraftwerke um jährlich 1,7 Milliarden Tonnen verringert. Weitere 1,9 Milliarden Tonnen, wie sie derzeit Kraftfahrzeuge in die Atmosphäre blasen, ließen sich durch Verwendung von Plug-in-Hybridfahrzeugen einsparen (Plug-in-Hybriden können nicht nur vom Verbrennungsmotor geladen werden, sondern auch an der Steckdose). Dadurch würden die CO2-Emissionen der USA im Jahr 2050 um mehr als 60 Prozent unter denen des Jahres 2006 liegen.
In den letzten Jahren fielen die Herstellungskosten für Solarzellen und -module deutlich. Die günstigsten Solarzelltypen sind Dünnschichtzellen aus Kadmium-Tellurid (CdTe). Um Strom im Jahr 2020 für 5 Cent pro kWh bereitstellen zu können, müssten CdTe-Module die Sonnenenergie mit einem Wirkungsgrad von 14 Prozent umwandeln. Die Kosten für entsprechende Anlagen dürften 1,20 Dollar pro Watt Leistung betragen. Derzeitige Module wandeln 10 Prozent der Sonnenenergie um und kosten rund 4 Dollar pro Watt. Weitere Fortschritte sind also nötig. Doch im vergangenen Jahr stieg der durchschnittliche Wirkungsgrad kommerzieller Module von 9 auf 10 Prozent. Auch Fotovoltaikanlagen auf Dächern, die tagsüber einen Teil des häuslichen Stromverbrauchs abdecken, werden im Zuge dieser Entwicklung wettbewerbsfähiger werden.
Im Jahr 2050 sollen nach unserem Konzept Fotovoltaikmodule insgesamt 3000 Gigawatt Leistung erzeugen. Dazu müssten Module mit einer Gesamtfläche von rund 80.000 Quadratkilometern installiert werden. Dieses Vorhaben mutet gigantisch an. Bereits existierende Anlagen deuten aber darauf hin, dass im amerikanischen Südwesten die für die Erzeugung einer Gigawattstunde benötigte Landfläche kleiner ist als jene, die durchschnittlich von Kohlekraftwerken benötigt wird, wenn man auch das für den Kohleabbau verwendete Land in Rechnung stellt. Untersuchungen des Nationalen Labors für erneuerbare Energien (NREL) in Golden (US-Bundesstaat Colorado) zeigen, dass im Südwesten der USA mehr als genug Land zur Verfügung steht, ohne dass man auf ökologisch empfindliche Regionen, dicht besiedelte Gebiete oder auf schwer zugängliches Terrain zurückgreifen müsste.
Die wichtigste Aufgabe ist daher, den Wirkungsgrad von Solarmodulen auf 14 Prozent zu erhöhen. Zwar wird die Effizienz kommerziell erhältlicher Zellen nie die von Laborprodukten erreichen. Doch die CdTe-Zellen des NREL erreichen bereits 16,5 Prozent und sollen noch besser werden.
Bei bewölktem Himmel erzeugen Solarkraftwerke nur wenig und nachts überhaupt keine Elektrizität. Daher muss in sonnenreichen Stunden Energie als Abend- und Nachtreserve gespeichert werden. Die meisten Energiespeichersysteme sind teuer oder ineffizient. Als sehr gute Alternative hat sich die Speicherung von Energie in Form von komprimierter Luft bewährt. Dabei wird Luft mit Hilfe von Solarstrom in unterirdische Kavernen, verlassene Minen, Aquifere (poröse Gesteine, die Grundwasser leiten) oder erschöpfte natürliche Gaslager gepresst.
Bei Bedarf wird die Luft abgelassen und durch eine Strom erzeugende Turbine geleitet. Zuvor wird sie durch das Verbrennen kleinerer Mengen von Gas noch erhitzt. Bereits seit 1978 wird ein Druckluftspeicherkraftwerk erfolgreich im niedersächsischen Huntorf betrieben, in McIntosh (Alabama) ging 1991 ein weiteres Werk ans Netz.
Untersuchungen des Electric Power Research Institute (EPRI) in Palo Alto (Kalifornien) ergaben, dass die Kosten für Druckluftspeicherung etwa halb so hoch sind wie die entsprechenden Kosten für Bleiakkumulatoren. Den Studien zufolge würden sich die Kosten für Fotovoltaikstrom durch die Speicherung um 3 bis 4 Cent pro kWh erhöhen, die Gesamtkosten im Jahr 2020 lägen also bei 8 bis 9 Cent pro kWh. Über Gleichstrom-Hochspannungsleitungen würde die von den Solarfarmen im Südwesten erzeugte Elektrizität zu Druckluftenergiespeichern im ganzen Land geleitet. Dort installierte Turbinen könnten dann ganzjährig unterbrechungsfrei Strom erzeugen. Entscheidend sind die Standorte. Feldstudien der US-Gasindustrie und des EPRI ergaben, dass in drei Vierteln des Landes geeignete geologische Formationen vorhanden sind, oft nahe an Ballungsgebieten.
Äußerlich ähneln die Druckluftspeichersysteme den Verteilstationen für Gas, wie sie in den USA üblich sind. Die Entwicklung solcher Anlagen ist zwar eine Herausforderung, aber es gibt zahlreiche verfügbare Reservoirs und genügend Gründe für die Gasindustrie, um in den Aufbau eines Druckluftspeichernetzes zu investieren.
Unser Konzept setzt auf eine weitere Technologie: Parabolrinnenkraftwerke. Sie könnten ein Fünftel der benötigten Solarenergie liefern. In solchen Anlagen wird Sonnenlicht von langen Metallreflektoren auf ein mit Flüssigkeit gefülltes Rohr fokussiert. Dabei wird sie erhitzt und strömt durch einen Wärmetauscher, in dem Dampf zum Antrieb von Turbinen entsteht. Um die Energie zu speichern, kann die Flüssigkeit auch durch große isolierte Tanks geleitet werden, wo geschmolzenes Salz die Wärme aufnimmt und einige Stunden speichert. Nachts wird die Energie dann abgezapft und zur Dampferzeugung genutzt.
Bereits seit vielen Jahren erzeugen neun Parabolrinnenkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 354 MW verlässlich Strom. Im März 2007 ging in Nevada ein neues 64-MW-Kraftwerk ans Netz - ohne Wärmespeicher allerdings. Das erste kommerzielle Kraftwerk mit Salzspeicher – er kann die Anlage sieben Stunden lang mit Betriebswärme versorgen – wird zurzeit in Spanien errichtet; weitere entstehen in aller Welt. Für unser Projekt hingegen werden 16 Stunden Speicherkapazität benötigt, damit rund um die Uhr Strom erzeugt werden kann.
Die Kosten der Parabolrinnenkraftwerke müssen noch gesenkt werden - durch die Produktion größerer Stückzahlen. Ein Team von Solarenergiespezialisten der Western Governors' Association, wo sich Gouverneure von 19 westlichen US-Bundesstaaten zusammengeschlossen haben, kam zu dem Ergebnis, dass Parabolrinnenkraftwerke bis 2015 Strom für 10 Cent pro kWh (oder weniger) erzeugen könnten, wenn Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4 GW (Gigawatt, Milliarden Watt) errichtet würden.
Weder Parabolrinnen- noch Solarzellentechnik sind derzeit voll entwickelt. Gemäß unserem Plan sollten sie bis 2020 Zeit zur Reifung erhalten, um dann in großem Umfang eingesetzt werden zu können. Bis dahin könnten aber auch andere solare Technologien zur Verfügung stehen, die den ökonomischen Rahmenbedingungen genügen.
Die geografische Struktur eines solaren Energieversorgungssystems wird sich vom bestehenden System deutlich unterscheiden. Während Kohle-, Öl-, Gas- und Kernkraftwerke überall in den USA relativ nahe an den Verbrauchszentren errichtet sind, stünden die meisten Solaranlagen im Südwesten. Das bestehende Wechselspannungsnetz ist allerdings nicht leistungsfähig genug, um den Strom von dort ins ganze Land zu transportieren. Auf langen Strecken käme es zu großen Verlusten. Hochspannungs-Gleichstromleitungen (HVDC, High Voltage Direct Current) weisen aber über lange Distanzen hinweg weniger Energieverluste auf als Wechselstromleitungen. Ein HVDC-Netz würde vom Südwesten strahlenförmig bis an die Grenzen des Landes verlaufen und an Konverterstationen enden, die den Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln. Über herkömmliche regionale Leitungen würde er dann zum Endverbraucher transportiert werden.
Weil das heutige Wechselstromnetz überlastet ist, kam es bereits zu Stromausfällen. Gleichstromleitungen sind billiger und benötigen weniger Grundfläche als Wechselstromleitungen. In den USA sind bereits etwa 800 Kilometer HVDC-Leitungen in Betrieb und erwiesen sich als zuverlässig und effizient. Größere technische Fortschritte sind nicht mehr nötig, lediglich der laufende Betrieb ließe sich noch optimieren.
Die Möglichkeiten zur Realisierung des Solar Grand Plan haben wir sorgfältig geprüft. Uns erscheint ein Zwei-Phasen-Vorgehen geeignet: In der ersten Phase, von jetzt bis 2020, sollen Solaranlagen zu preisgünstigen Massenerzeugnissen werden. Dafür muss die US-Regierung über 30 Jahre laufende Darlehen gewähren, sich zur Abnahme von Solarenergie bereiterklären und Subventionen zahlen. Von 2011 an bis 2020 müsste sich die jährliche Unterstützung stetig erhöhen. Danach könnte Solartechnologie aus eigener Kraft mit herkömmlichen Energiequellen konkurrieren. In der Summe müsste die Regierung 420 Milliarden Dollar bereitstellen.
In dieser ersten Phase müssten Fotovoltaik- und Parabolrinnenkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 84 GW installiert werden und das Gleichstromnetz ausgebaut werden - entlang der amerikanischen "Interstate"-Autobahnen, wo bereits Durchleitungsrechte bestehen. Die Notwendigkeit für Landkäufe wie für das Einholen behördlicher Genehmigungen ließe sich dadurch minimieren. Die Haupttrasse soll große Abnahmegebiete wie Phoenix, Las Vegas, Los Angeles und San Diego im Westen sowie San Antonio, Dallas, Houston, New Orleans, Birmingham (Alabama), Tampa (Florida) und Atlanta im Osten versorgen.
In den ersten fünf Jahren kämen jährlich 1,5 GW an installierter Leistung aus Fotovoltaikanlagen hinzu, dieselbe Leistung steuerten neue Parabolrinnenkraftwerke bei. Für viele Hersteller wäre dies ein Anreiz, ihre Kapazitäten auszubauen. In den folgenden fünf Jahren wird der Ausbau auf jährlich 5 GW pro Kraftwerkstyp hochgefahren. Das Wachstum hilft den Firmen bei der Optimierung ihrer Produktion, sodass der Preis für Solarstrom deutlich sinkt.
Der Zeitplan ist realistisch. Allein von 1972 bis 1987 wurden in den USA jährlich durchschnittlich über 5 GW Leistung aus Kernkraftwerken installiert. Solaranlagen hingegen können viel schneller hergestellt und errichtet werden – wegen ihres einfachen Aufbaus und geringerer Umwelt- und Sicherheitsprobleme.
Unserem Szenario für die Jahre zwischen 2020 und 2050 legten wir konservative Annahmen zu Grunde. Technologische und kostensenkende Verbesserungen, die nach 2020 zum Tragen kommen könnten, ließen wir unberücksichtigt. Wir gingen zudem davon aus, dass die Stromnachfrage landesweit um ein Prozent pro Jahr ansteigt. In diesem Szenario liefern Solarkraftwerke im Jahr 2050 rund 70 Prozent der in den USA erzeugten Elektrizität und decken 35 Prozent des gesamten Energiebedarfs. Diese Zahlen schließen auch den Strom für den Betrieb von 344 Millionen Hybridfahrzeugen ein. Benzinbetriebene Fahrzeuge würden verdrängt, was entscheidend zur Verringerung der Abhängigkeit vom Öl und zur Reduzierung von Treibhausgasen beitrüge. Und schließlich entstünden rund drei Millionen neue Arbeitsplätze, vor allem in der Herstellung von Komponenten für Solarkraftwerke – ein Vielfaches der Jobs, die in der dann schrumpfenden Öl-, Gas- und Kohle-Industrie verloren gingen.
Durch die sinkenden Ölimporte würde sich die US-Außenhandelsbilanz um jährlich 300 Milliarden Dollar verbessern (bei einem Rohölpreis von 60 Dollar pro Barrel, der Durchschnittspreis für 2007 lag schon bei etwa 74 Dollar). Zwar müssen auch Solarkraftwerke gewartet und repariert werden, doch Sonnenenergie bleibt kostenlos, sodass sich die Einsparungen beim Öl Jahr für Jahr wiederholen werden. Außerdem erhöhen die Solaranlagen die Sicherheit der nationalen Stromversorgung, reduzieren Kosten für das Militär und verringern dank umwelt- und klimaschonender Arbeitsweise auch gesellschaftliche Folgekosten. Der Solar Grand Plan wird den Energieverbrauch sogar mindern: Selbst wenn die Nachfrage um ein Prozent pro Jahr wüchse, fiele der Verbrauch von 105 Exajoule im Jahr 2006 auf 98 EJ im Jahr 2050! Der Grund: Heute wenden wir einen beträchtlichen Teil der Energie auf, um fossile Brennstoffe zu gewinnen und aufzubereiten; weitere Energie geht bei Verbrennung und Emissionskontrolle verloren.
Um die Vorgaben für 2050 zu erreichen, werden rund 120.000 Quadratkilometer Fläche für die Installation von Fotovoltaik- und Parabolrinnenkraftwerken benötigt. Diese Zahl erscheint riesig, entspricht aber lediglich knapp 20 Prozent der Landfläche im Südwesten, die unwirtlich ist und sich nicht nutzen lässt. Damit es nicht zu Abschattungen kommt, sehen wir bei unseren Flächenberechnungen genügend Platz vor: Wir multiplizieren die Modulfläche mit dem Faktor 2,5, um die benötigte Landfläche zu ermitteln. Bei Parabolrinnenkraftwerken beträgt dieser Faktor 3.
Exakte Prognosen über 50 oder mehr Jahre sind unmöglich. Versuchsweise führten wir dennoch Hochrechnungen durch, um das volle Potenzial der Solarenergie im Jahr 2100 darzustellen. Wir gingen von einem Gesamtenergieverbrauch von knapp 150 EJ aus und dass die Stromerzeugungskapazitäten in jenem Jahr unsere heutigen um das Siebenfache übertreffen werden.
Zunächst schätzten wir die nötige Menge an Solarkraftwerken ab. Um konservativ zu rechnen, gingen wir von einem historischen Tiefststand der Sonneneinstrahlung auf den Südwesten aus, wie er im Winter 1982 auf 1983 und in den Jahren 1992 und 1993 verzeichnet wurde. Außerdem nahmen wir an, dass es nach 2020 zu keinen weiteren technologischen oder ökonomischen Verbesserungen kommt, obwohl in den nächsten 80 Jahren damit zu rechnen ist. Unter diesen Annahmen könnte der US-Strombedarf mit folgenden Kraftwerkskapazitäten gedeckt werden: 2,9 Terawatt aus Fotovoltaikkraftwerken würden direkt in die Netze eingespeist, weitere 7,5 TW in Druckluftspeicher geleitet. Hinzu kämen 2,3 TW aus Parabolrinnenkraftwerken sowie 1,3 TW aus verteilten Fotovoltaikanlagen. Ergänzt würde die Versorgung durch 1 TW aus Windfarmen und 0,2 TW aus geothermischen Kraftwerken. Die Produktion von Biotreibstoff setzten wir mit 0,25 TW an. Die solaren Anlagen würden rund 430.000 Quadratkilometer Land überdecken – immer noch weniger, als der Südwesten bietet.
2100 könnten regenerative Energiequellen 100 Prozent des US-Strombedarfs und 90 Prozent des Gesamtenergiebedarfs decken. Im Frühjahr und Sommer könnte die solare Infrastruktur genug Wasserstoff erzeugen, um 90 Prozent des Kraftstoffbedarfs im gesamten Transport- und Verkehrswesen zu liefern. Wasserstoff könnte dann das Erdgas ersetzen, das beim Betrieb der Druckluftspeicher- Turbinen eingesetzt werden muss. Zusätzlich würden 180 Milliarden Liter Biokraftstoff den verbleibenden Bedarf an Transportenergie decken. CO2-Emissionen, die bei Energieerzeugung und -Verbrauch anfallen, sänken um 92 Prozent unter das Niveau von 2005. Und all das trotz des von uns veranschlagten jährlichen Wachstums des Energiebedarfs um ein Prozent.
Die wohl wichtigste Frage ist die nach der Finanzierung des Plans. Eine der verbreitetsten Ideen hierzu ist die Einführung einer Kohlesteuer. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass sie 40 bis 90 Dollar pro Tonne Kohle betragen müsste, damit sie Stromproduzenten dazu anregt, mittels Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung die Emission von Kohlendioxid zu verringern. Diese Steuer entspricht einer Strompreiserhöhung um 1 oder 2 Cent pro kWh. Unser Plan ist billiger. Die 420 Milliarden Dollar, die der Staat zuschießen muss, können durch eine Steuer von 0,5 Cent auf jede kWh Strom eingenommen werden, die aus fossilen Energien stammt. Bei heutigen Kosten von 6 bis 10 Cent pro kWh scheint dies tragbar.
Ein Nationaler Plan für erneuerbare Energien würde die Energie-versorgung der USA sicherstellen und wäre ein zentrales Element des künftigen Wohlergehens der Nation. Die Beihilfen -würden sukzessive im Zeitraum von 2011 bis 2020 ausgezahlt. Bei einer Laufzeit von üblicherweise 30 Jahren endet die Förderung zwischen 2041 und 2050. Für den Aufbau des HVDC-Netzes durch Privatfirmen müssten keine Subventionen fließen, da sie Netztrassen und Konverterstationen in gleicher Weise finanzieren würden wie das heutige Wechselspannungsnetz: durch Einkünfte, die sie bei der Lieferung von Strom erzielen.
420 Milliarden Dollar sind sehr viel Geld. Die jährlich anfallenden Kosten würden jedoch geringer sein als die Subventionen, die derzeit in die US-Landwirtschaft fließen. Sie wären auch geringer als die steuerfinanzierten Subventionen, die in den vergangenen 35 Jahren in den Ausbau der Infrastruktur für die Hochgeschwindigkeitstelekommunikation investiert wurden.
Das größte Hindernis für die Umstellung der US-Energieversorgung auf erneuerbare Energien ist der Mangel an öffentlichem Bewusstsein. Menschen mit Weitblick sollten daher versuchen, die Bürger der USA ebenso wie führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft für das fast unglaubliche Potential der Solarenergie zu begeistern. Ist den Amerikanern dieses Potential erst einmal bewusst, dann wird ihr Wunsch nach nachhaltiger Energieversorgung und reduzierten CO2-Emissionen sie schließlich davon überzeugen, dass wir die US-weite Einführung von Solarenergie auf den Weg bringen müssen.
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