Kalkofes letzte Worte
Wenn ein Jahr zu Ende geht ...

... dann werden die Menschen albern. Sie gedenken all der güldenen Hoffnungen, die sie genau ein Jahr zuvor hegten, sowie das davor und all die anderen vor eben jenem. Sie erinnern sich an die wahnwitzig verwegenen Pläne, an deren Realisierung sie im schwiemeligen Taumel billigen Schaumweins zur mitternächtlichen Jahreswende für ein paar Minuten wahrhaftig beinahe schon selbst geglaubt hatten. Und wenn der freundliche dicke Abreißkalender beginnt auszusehen, wie Kate Moss nach der Wurmkur, wird ihnen plötzlich gewahr, daß sie wieder einmal alles gründlich verbockt haben. Wie auch das Jahr zuvor, das davor und all die anderen vor eben jenem.

Dies ist gewöhnlich der Zeitpunkt, an dem die sogenannte prä-silvesterliche Depression einsetzt. Man begegnet dieser häufig mit gesundheitlich bedenklichen Kaufrausch-Aktionen, post-weihnachtlichen Besäufnissen oder dem Aufstellen neuer wahnwitziger Zukunftspläne, die häufig den verwegenen Strategien der Vorjahre nicht unähnlich sind.

Der Versuch sämtlicher Fernseh- und Radiostationen, uns in der Adventszeit vorübergehend mit tragischen menschlichen Schicksalen zu konfrontieren, insofern diese in das Format passen und mit dem Spendenaufruf eines betroffen dreinblickenden Hausmoderators inklusive Senderkennung kombiniert werden können, führt beizeiten sogar noch zusätzlich zu Anflügen ungesunder Selbstkritik oder gar schlechten Gewissens. Verschwommen kehrt der Moment zurück, in dem man sich beim Festtags-Sodbrennen vorgenommen hatte, auch mal etwas Selbstloses zu tun, wenn es sein muß sogar ohne es überall zu erzählen. Immer tiefer zieht den Grübelnden der Strudel seiner Versäumnisse, immer enger legt sich ihm die Schlinge der eigenen Unfähigkeit um den Hals, in welchem ihm gerade davor das selbstgefällige Grinsen der Sommermonate steckengeblieben war. Und wenn man dann auch noch den Fehler macht, am Silvesterabend auf der verzweifelten Suche nach seelischem Heiterkeitsbeistand durch die Fernsehkanäle zu pilgern, dabei aber statt einer Anleitung zum selbstständigen Fröhlichsein nur genau die gleichen abgewrackten Schnarchnasen und vollgesoffenen Polonäsenzombies entdeckt, über die man schon im Jahr zuvor nicht lachen konnte - genau wie in dem davor und all den anderen vor eben jenem - spätestens dann beginnt man zu verstehen, was mit einem sogenannten Déjà-vu-Gefühl gemeint ist. Und wenn man ehrlich ist, wird einem sogar der Kater am nächsten Morgen irgendwie bekannt vorkommen. Bis zum nächsten Jahr!

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