Kalkofes letzte Worte
Spul zurück im Zorn

Eine der letzten kulturellen Begegnungsstätten, die man noch im ballonseidenen Trainingsanzug aufsuchen kann, ohne unangenehm aufzufallen, ist die Videothek. Treffpunkt wagemutiger Individualisten, die nichts dagegen haben, sich den Abend durch romantisch flackernde Fernsehbilder versauen zu lassen, dabei allerdings durch das nur begrenzte Minderwertigkeiten-Menü der Sendeanstalten nicht in ihrem Recht auf freie Wahl der Sinnesfolter eingeschränkt werden möchten. Hier im Palast der zurückspulbaren Scheußlichkeiten bekommt der geneigte Schund-Liebhaber für wenig Geld in großer Zahl all jene mühevoll vergeigten Zelluloid-Verschwendungen aus dem Rinnstein der Filmkunst angeboten, die ihm zuvor im Nachtprogramm von RTL 2 als Weltpremiere zu erhaschen gelangen.

"Kennst du den hier?" – hört man die Experten plaudern – " 'Zärtliche Crazy-Knallköppe zum Knutschen'. Von 1982, mit Thomas Gottschalk und Gottlieb Wendehals beim Möpsekneten auf Ibiza – die Fortsetzung von 'Zwei durchgestrullte Supernasen drücken einen ab'. Is' was zum Lachen!"

Es läßt sich nicht bestreiten: schlechte Filme – in Maßen genossen – können enorm wohltuend sein! Wenn der belgische Fressepolierer Jean-Claude Van Darm als knallharter New Yorker Karate-Cop aus Rache für seinen ermordeten Partner gestreckten Beines einem Dutzend grimmiger Finsterlinge seine sockenlose Mauke unter den Schnurrbart semmelt und dabei so verbissen guckt, als würde ihm die Unterhose die Testikel abschnürren, dann ist dies schon grandiose Komik. Und wenn großtittige Kreischpunzen in viel zu engen feuchten T-Shirts aufgebracht durch dunkle Gänge hasten, auf der sinnlosen Flucht vor Talent und einem viertklassigen Alien-Klon aus Knetgummi, dann freut man sich doch – selbst wenn man gar nicht genau weiß, warum eigentlich.

Dabei sollte man die Bedeutung wirklich beschissener Filme für Industrie und Publikum keinesfalls unterschätzen! Sie bringen den menschlichen Verstand an seine eigenen Grenzen, sie testen unser Durchhaltevermögen und stärken die intellektuellen Abwehrkräfte. Vor allem aber könnte man sich ohne all die schaurig-schönen verkackten Gurkenmovies überhaupt nicht mehr angemessen über die guten Filme freuen! Nur wer alle sieben Teile "Police Academy" durchlitten hat, weiß einen "Fisch namens Wanda" wirklich zu schätzen. Und nur wer schon einmal 90 Minuten den wippenden Pferdeschwanz der kloppenden Hackfresse Steven Seagal ertragen mußte, kann den Löchern im Unterhemd von Bruce Willis mit der gebührenden Ehrfurcht begegnen. Qualität muß nun mal sein – auch wenn sie schlecht ist.

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