Kalkofes letzte Worte
The Importance of being wichtig

Was macht eigentlich manche Menschen wichtiger als andere? Wieso wird der smarte Jungmillionär mit Luxus-Schabracke am Ärmchen auf dem Prosecco-Empfang von jedermann mit einem angedeuteten Diener begrüßt, der nette müffelnde Stretchcord-Rentner mit dem toten Hamster in der Hose dagegen nur mit einem unterkühlten Würgen? Warum kriegt der medienscheue Kinderarzt nach einem anstrengenden Kliniktag keinen Platz mehr in seiner Lieblings-Pizzeria, der 16jährige Daily-Soap-Darsteller des blinden kokainsüchtigen Hobby-Gynäkologen in der RTL-Serie "Wir von der Eierstock-Farm" aber den schönsten Tisch mit einem Grappa aufs Haus?

Es gibt nun mal kaum etwas Wichtigeres, als irgendwie wichtig zu sein. Oder sich wichtig zu machen. Vor allem aber doch wenigstens so wichtig, daß es möglichst viele mitbekommen und in den Medien davon berichtet wird. Wo früher Titel, Reichtum oder soziale Stellung ausschlaggebend waren, um von der herumwuselnden Masse wahrgenommen und respektiert zu werden, reicht unserer Tage längst schon das stolze Erzählen hochnotpeinlicher Lebenskatastrophen in einer beliebigen Talkshow oder das kurze Blanklüpfen einiger zumindest halbwegs ansehnlicher Brüste oder vergleichbarer Körperteile vor Publikum. Wem es gelungen ist, wenigstens einmal für einen kurzen Moment das Fernsehbild mit seiner Präsenz zu verschönern, der hat es geschafft! Er hat der Welt von seiner Existenz kundgetan. Er hat den Sprung in eine andere Existenz vollzogen, er gehört zu den Auserwählten, die nicht nur zuschauen, sondern aktiv in das Geschehen eingreifen. Zumindest konnte er für einen Augenblick diesen Anschein erwecken, denn selbst wenn sein sprachlich rudimentärer Zwischenruf bei "Sonja" die Menschheit inhaltlich nicht weiterbrachte als der stille Furz eines Igels im Tannenwald – er war damit im Fernsehen!

Nicht mehr die Taten, sondern die Berichte darüber bestimmen den Grad der Wichtigkeit. "Ich werde gesendet, also bin ich", sagt eine alte existenzphilosophische Fernsehtheorie: die Bedeutsamkeit einer Handlung steht hinter ihrer Medienwirksamkeit weit zurück. Keine genialen, unappetitlich ausschauenden Nobelpreisträger zieren die Magazin-Cover, sondern hübsche, bunte Mops-Miezen, und nicht der Friedensstifter aus dem Kosovo wird von kreischenden Fans umlagert, sondern der auf Bewährung entlassene Turnhosen-Rapper mit Schniedel-Piercing. Wichtig zu sein ist schwer, wichtig zu werden ist leicht. Ist man erst mal jemand, ist es auch egal, wer eigentlich – und irgendwann fragt auch niemand mehr, wie man es denn geworden ist. Für solch alberne Fragen ist man dann nämlich auch viel zu wichtig!

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