Kalkofes letzte Worte
Angriff der Ballerköpfe

Die Lage ist ernster als vermutet: Der Krieg steht vor der Tür! Und das in unserem eigenen Land, in der trügerischen Sicherheit unserer eigenen Wohnzimmer. Mann gegen Frau, Vater gegen Kind, Zuschauer gegen Zuschauer, Verstand gegen Gefühl - die Gesellschaft droht sich selber zu vernichten im heiligen Kampf um die Fernbedienung. Die Folgen werden furchtbar sein...

Grund für die drohende Schlacht um die Macht der freien Senderwahl ist die kapitalistische Kirch-Klitsche Sat.1 mit ihrer infamen Drohung, demnächst das hausgemachte Bundesliga-Boulevard-Magazin "ran" um 20 Uhr 15 frontal gegen die friedlichen Familienbeglücker Gottschalk und Jauch zu platzieren. Mit Panik im Nacken beginnen die Älteren unter uns sich daran zu erinnern, welche gnadenlosen Grabenkämpfe rund um die angebetete Flimmerkiste bereits in den Siebzigern herrschten, als die Publikumsvertreter unterschiedlicher Entwicklungsstufen im Evolutionsprozess zum ersten Mal unbarmherzig zusammenprallten: "Sportschau" gegen "Daktari"! Der tumbe Papa, erst seit kurzem überhaupt aufrecht sitzend, forderte zum verdienten Vorabendbier die intellektuell anspruchslose Nacherzählung der Bumsliga-Ergebnisse, die geistig stets adrett durchgewischte Hausfrau hingegen, unterstützt von der sabbernd opportunistischen Bälgerschar, plädierte für die lehrreiche Tier-Doku-Soap aus der Elefantenklinik in Wameru. Schielende Löwen und kreischende Affen gegen blinde Schwalbenbeschwörer und gröhlende Fans - eine Schlacht, in der es keine Sieger gibt.

Aber das Fernsehen ist nun einmal der Feind des Individuums - geschaffen, um die anonyme Masse zu beglücken, Hofnarr des blökenden Applausviehs, unreflektierter Stimmungsbeschaller der medialen Großraumdisco. Fuck, ey! Schlimmer aber noch als das gedankenlose Aufeinanderhetzen unterschiedlicher Glotzergruppen ist der hirnlose Versuch ihrer unfreiwilligen Zusammenführung. Wie von Seiten Sat.1 bereits verkündet, überlege man, "ran" im Falle der Saturday-Primetime-Präsenz durch zusätzliche Show-Elemente familien- bis gar frauenfreundlicher zu gestalten. Jawohl, so tief sind wir schon gesunken: feminine Fußballberichterstattung - für richtige Frauen, nicht nur für schwule Bayern Fans! Schmierhosiger Latino-Pop und schnuckelige Abseits-Boys zwischen Welke und Wontorra im Muscle-Shirt, das Fernsehballett tanzt die schönsten Torszenen des Tages nach, und Kai Pflaume versöhnt durch Fouls getrennte Spielerpaare. 1:0 für die Apokalypse. Na dann gute Nacht allerseits!

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