Airbus - Ein Flugzeug für Profis

Airbusse sind extrem komplexe Flugzeuge, gleich welche Type oder welche Serie. Daher werden die Piloten nur mit den wichtigsten Systemen vertraut gemacht. Zahlreiche technische Einrichtungen stehen nicht im Handbuch. Wir wollen hier eines dieser unbekannten Systeme vorstellen.

Es handelt sich dabei um die Technik, die hinter den ausklappbaren Tischen im Cockpit steht. Piloten konventioneller Flugzeuge haben etwas zwischen den Beinen, nämlich ein Steuerhorn. Airbus-Piloten müssen dagegen ihre Arbeit nicht mit gespreizten Beinen verrichten. Sie haben vor sich einen Tisch, auf dem sich komfortabel arbeiten und essen lässt.

Diese Tischchen werden händisch herausgezogen. Glauben die Piloten. Aber die glauben ja auch,
dass sie das Flugzeug steuern, wenn sie am Sidestick herumrühren. Und ebenso, wie das Flugzeug in Wirklichkeit von Computern gesteuert wird, erfolgt auch das Aus- und Einfahren des Tischchens computergesteuert.

Zieht ein Pilot am Tisch, dann aktiviert er dadurch den "Table Movement Sensing Computer" (TMSC). Dieser sendet ein digitales "pilot pulls"-Signal an das "Table Extension and Retraction System" (TEARS). Für den Tisch des Kapitäns ist das System TEARS 1 zuständig, für den Tisch des Copiloten TEARS 2. Die Systeme TEARS 3 bis TEARS 7 dienen als Backup, falls eines der primären Systeme ausfällt.

Jedes TEARS besteht aus dem "Table Extension Computer" (TEC) und dem "Table Retraction Computer" (TRC), sowie dem "Table Computer Monitoring, Operating, Supervising, Analysing and Fault Preventing Computer" (TCMOSAAFPC). Eine "Table Data Acquisition Unit" (TDAU) speichert tausende Daten, die im Falle einer Fehlfunktion des Tisches der AUA-Maintenance wichtige Informationen zur Fehlersuche liefert.

Soll nun ein Tisch ausgefahren werden, so liefert das zuständige TEARS ein entsprechendes Signal an die "Hydraulic Pilots Table Extension and Retraction Unit" (HPTEARU). Diese benutzt das grüne Hydrauliksystem, um den Tisch auszufahren. Dabei sorgt der "Pilots Deception Computer" (PDC) dafür, dass die Piloten nicht merken, dass nicht sie selbst, sondern der Computer den Tisch ausfährt. (Der PDC ist auch noch bei 741 anderen Systemen aktiv.)

Die Funktionsweise des Tisches ist also ganz einfach: Nach Anforderung durch den TMSC aktiviert das TEARS unter Überwachung durch den TCMOSAAFPC den TEC, der mit Hilfe des HPTEARU den Tisch ausfährt. So weit, so simpel.

Copyright Borut Smrdelj

Natürlich ist das TEARS nicht annähernd so einfach wie eben beschrieben. Als Profis wollen wir natürlich mehr über die einzelnen Betriebsarten wissen.

Das TEARS kennt drei Betriebsarten ("Laws"): Kommt die Senior mit zwei Steaks ins Cockpit, dann wird sofort die "Meal-L aw" aktiviert. Beide Tische fahren aus, und die "Starvation Protection" ist aktiviert. Kommt die Senior mit zwei Vorspeisen ins Cockpit, dann schaltet das System von "Meal-Law" auf "Snack-Law". Die Starvation Protection bleibt aktiv, gleichzeitig wird das Signal "Und mehr gibt's nicht?" aktiviert. Und schliesslich: Kommt ein Flugbegleiter mit trockenen Semmeln und Mineralwasser ins Cockpit, dann wird automatisch die "Fuck-off Law" aktiviert. In dieser Betriebsart sind die Reaktionen der Piloten sehr direkt, daher wird dies auch als "Direct Law" bezeichnet.

Soweit die Grundlagen. Was aber bei einem Fehler im hydraulischen System? Wir erinnern uns: Die Tischchen werden durch das grüne hydraulische System aus- und eingefahren. Fällt aber das grüne System aus, dann droht ein Notfall. Natürlich nicht, denn Airbus hat an alles gedacht. Die Systeme sind extrem redundant.

Fällt das grüne System aus, dann werden vollautomatisch das gelbe und das blaue Hydrauliksystem aktiviert. Eine "Hydraulic Color Mixing Unit" (HCMU) mischt blaues und gelbes Hydrauliköl so, dass grünes Öl herauskommt. Gesteuert wird das Ganze vom "Hydraulic Color Management Computer (HCMC)". Dadurch kommt wieder grünes Hydrauliköl zu den Tischen, und alles funktioniert einwandfrei.

Soweit die Basisfunktionen. Natürlich ist es Airbus-Philosophie, alle Systeme möglichst komplex zu gestalten. Also wollen wir uns als nächstes das "Table Priority System" (TPS) anschauen.

Um dieses sehr komplizierte System zu verstehen, zunächst ein Beispiel. Angenommen, die Senior kommt ins Cockpit und ruft: "Es ist ein Business-Essen übrig!". Nehmen wir an, der Copilot zieht daraufhin sein Tischchen heraus. Dann kommt es zur Aktivierung des TEARS 2, und der First Officer ist bereit für die Nahrungsaufnahme.

Nun hat allerdings der Kapitän die Möglichkeit, den "Instinctive Meal Take Over Pushbutton" (IMTOP) zu drücken. Tut er das, dann sorgt das Table Priority System (TPS) dafür, dass der Tisch des Copiloten mit maximaler Geschwindigkeit eingefahren wird und der Tisch des Kapitäns ausfährt. Gleichzeitig ertönt die Computerstimme ""Meal Left" und am Primary Flight Display zeigt der Flight Director nach links. Drückt der Kapitän seinen Meal Take Over Pushbutton für einen längeren Zeitraum (länger als 0.4 Sekunden), dann bleibt der Tisch des Copiloten für den Rest des Fluges verriegelt.

Nun zu einem unangenehmen Thema: Notfälle. In außerordentlich seltenen Situationen kann es trotz aller Redundanz tatsächlich zu einer Notsituation kommen. Beim gleichzeitigen Ausfall aller Hydraulik- systeme kann es passieren, dass sich die Tische beider Piloten nicht ausfahren lassen. In diesem Fall muss das Flugzeughandbuch (OM-B) konsultiert werden. Hier finden wir das entsprechende Emergency Procedure.

Beim Ausfall aller Hydrauliksysteme müssen die Essen auf den Knien der Piloten platziert werden. Es ist daher das Verfahren "Meal on Knees" durchzuführen. Dabei empfiehlt es sich, als erstes die Flugsiche- rung zu informieren. ("Mayday, mayday, mayday. Austrian 123, we have a double table failure. We have to eat from knees. Upon landing we request cleaning personnel at the runway!") Das Verfahren "Meal on Knees" wird einen Schwerpunkt bei den nächsten Emergency Trainings bilden. In Zusammenarbeit mit Airest und Do & Co werden die Airbus-Piloten auf diesen Notfall vorbereitet werden.

© Peter Gugerell / OS


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