Kalkofes letzte Worte
Eine Minute Mitgefühl

Um mehr möchte ich heute gar nicht bitten - einen kurzen Moment der kollektiven Besinnung. Denn wir sollten bei aller Freude niemals vergessen, daß es irgendwo in unserem Land auch Menschen gibt, denen es nicht so gut geht wie uns, die traurig sind und unsere Unterstützung brauchen. Und deswegen möchte ich nun mit Ihnen zusammen eine Minute des Schweigens einlegen, für einen, der gerade eine schwere Zeit durchmacht - für Ralph Siegel.

(Bitte lassen Sie jetzt für 60 Sekunden Ihren Computer ruhn - natürlich nur, wenn Sie offline sind, schließen Sie die Augen und summen Sie leise mit einem Hauch von Betroffenheit zweimal den Refrain von "Ein bißchen Frieden". Vielen Dank.)

Ich danke, diese Geste war wichtig. Denn Sie haben es ja wahrscheinlich mitbekommen: Der Grand Prix Eurovision delaChansonblablatäteräAllemagnepasdepoint - jener kulturelle Schlagerabtausch internationalen Irrsinns, dieser prachtvolle Austragungsort erhabener europäischer Peinlichkeiten - ist seiner Seriosität beraubt. Nichts wird mehr sein, wie es einmal war. Kein offiziell versiegelter Retorten-Schlager aus dem Rezeptbuch für einen erfolgreichen Grand-Prix-Flop wird unser Land dieses Jahr im fernen England vertreten, keine Schar jugendlich strahlender Herrenmenschen mit herzerfrischend einstudierten Tanzeinlagen und auch keine brave blonde Jungfrau mit nachdenklich stimmendem Streichorchester, sondern ein sympathisch durchgeknallter Zottelsänger im selbstgenähten Rüschenfummel.

Was soll da das Ausland von uns denken? War unsere Nation bislang ob ihres wahnwitzigen Ernstes und ihrer lockeren Spießigkeit gefürchtet, wegen ihrer unreflektierten Liebe zu Normen und rigorosem Regelwerk beizeiten sogar bewundert, so überrascht sie nun plötzlich mit ihrer artfremden Selbstironie und fatalistischen Coolneß. Wahrscheinlich werden wir in Birmingham mit Null Punkten überschüttet und triumphal verlieren - aber wir werden es erhobenen Hauptes tun! Und selbst wenn darüber irgendwo in unserem Land am 9.Mai ein paar kleine salzige Siegeltränen über die Hügel der Humorlosigkeit rollen sollten - diese Niederlage wird das ehrenhafteste Ergebnis sein, das Deutschland je nach Hause brachte! Zum ersten Mal haben wir den Mut, zu zeigen, daß uns dieses ganze geleckte Möchtegern-Spektakel mit seinen geklonten Schmalzvisagen mal kreuzweise kann!

Gewinnen haben wir nämlich überhaupt nicht nötig - Hauptsache wir haben Spaß! Denn mit Würde zu verlieren, anstatt sich kriecherisch verbissen dem sinnlosen Wettstreit zu stellen, das ist wahre Größe! Und darauf können wir wirklich einmal Stolz sein.

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