Kalkofes letzte Worte
Der Fluch der Fröhlichkeit

Der erste April ist ein Feiertag der besonderen Art. Niemand hat frei, der Papst muss keine Rede halten, und keiner braucht Geschenke zu besorgen - trotzdem haben alle Spaß! Es ist der international anerkannte Tag des Scherzes. Selbst der verkniffenste Spießer kann sich des gepflegten Schmunzelns nicht erwehren und verspürt beim Blick auf den Kalender den plötzlichen Drang, einen Ulk zu machen. Vermeintlich offene Hosenställe, fehlendes Toilettenpapier, Steuernachzahlungen und gefälschte Schwangerschaftstests regieren dann die Welt und tragen die Menschen auf einer Woge der Heiterkeit. Ein jeder ist beflissen, dem anderen schelmisch ans Bein zu pinkeln und laut "April, April!" zu rufen. Danach kringelt man sich dann gewöhnlich und erfreut sich stundenlang über die eigene Pfiffigkeit. Ein herrlicher Tag.

Besonders schwierig aber ist es für die Medien, denn selbstverständlich erwartet man auch von ihnen einen gepflegten Possenriss. Doch wie soll man die Leute nur jährlich einmal mit der erwarteten witzigen Falschmeldung erfreuen, wenn das professionelle Verarschen des Publikums ohnehin das alltägliche Ziel der Arbeit ist? Da merkt doch keiner mehr den Unterscheid! Im Radio wäre heute wohl der größte Lacher, einmal einen Moderator zu hören, bei dessen Superlaune man nicht dessen Drogentod durch Überdosis befürchten muss. Und im Fernsehen hat sich jeder Witz ohnehin schon längst selbst überholt, denn 95 Prozent der aktuellen Programminhalte hätte man früher noch nicht einmal als Aprilscherz ernst genommen: Pass auf, irgendwann wird man in Fernsehshows heiraten, mannigfaltige Geschlechtsteile blanklüpfen und Beträge in Lösegeldhöhe gewinnen können. "Ach, verarsch dich doch selber!", hätte es da geheißen.

Eines Tages kommt eine mopsige Freizeitrichterin in Fledermausrobe und schlichtet im Vorabendprogramm unbedeutende Popelfälle von bematschten Kleingärtnerseelen. „Komm, hör doch auf!“, wäre man laut ausgelacht worden. Und wer hätte schon geglaubt, ein Sender würde einmal ernsthaft eine Horde minderbemittelter Mega-Dumpfnasen in ein überwachtes Kotzbrocken-Terrarium einpferchen und so lange beim Geschirrspülen und Bockmistlabern abfilmen, bis selbst der letzte Trottel merkt, dass Langeweile dadurch nicht spannender wird, dass man sie im Fernsehen überträgt.

Es klingt absurd, aber irgendwo auf dem Weg zum ultimativen Spaß hat der Humor seine Existenzgrundlage verloren. Inzwischen ist alles und jeder lustig, selbst wenn er es gar nicht merkt. Der erste April ist immer und überall, und dem Idioten ist es mittlerweile auch egal, ob man mit ihm oder über ihn lacht. So ganz hat er den Unterschied sowieso nie verstanden. Witzig ist das zwar nicht, aber irgendwie schon komisch.

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